Sumpfschrecke
Stethophyma grossum
Leitart und Maßnahmen:
Die Sumpfschrecke Stethophyma grossum ist in Bayern weit verbreitet und in geeigneten Habitaten auch häufig anzutreffen. Sie ist eine Leitart für extensiv genutztes Grünland mit großem Feuchtgebietsanteil und feuchten Streuflächen mit niedriger lückiger Vegetation. Die Sumpfschrecke profitiert von wiedervernässtem Extensivgrünland.
Schutzstatus: Die Gefährdung wurde in Bayern aktuell auf eine Vorwarnstufe reduziert.
Entwicklungszyklus:
Imagines erscheinen im Juni und sind bis Anfang November anzutreffen. Die Überwinterung erfolgt im Eistadium, die Trockenheitstoleranz der Eier ist äußerst gering. Auch die Larven, die vom Aussehen der adulten Tiere stark abweichen, benötigen eine feuchte Umgebung. Alle Entwicklungsstadien finden sich deshalb vor allem in Flussauen, Feuchtwiesen und Mooren. Die gut flugfähige Sumpfschrecke ist damit eine typische Zeigerart für intakte Feuchtgebiete.
Vorkommen und Bedeutung im LK Wunsiedel:
Stethophyma grossum ist im Fichtelgebirge mit ausreichend stabilen Beständen vertreten und gut verbreitet. Aufgrund ihrer guten Flugfähigkeit kann die Art temporären Schwankungen im Wasserhaushalt einer Grünfläche ausweichen, längere Trockenperioden und Grünlandintensivierung kann sie nicht überstehen.
Körperbau:
12-21 mm, Grundfarbe gelb- bis olivgrün, dorsal meist bräunlich. Weibchen manchmal mit intensiver Rotfärbung. Flügelunterrand mit hellem Streifen. Unterseite der Hinterschenkel rot, Schienen gelb mit schwarzen Dornen.
Gesang:
Die fast 15 m weit hörbaren Laute der Männchen erinnern an ein Schnipsen mit den Fingernägeln. Dieser „Schienenschleuder-Zick“ wird dadurch erzeugt, dass das Männchen die Schiene eines Hinterbeines ruckartig nach hinten schleudert.
Literatur:
Fischer J et al. (2020) Die Heuschrecken Deutschlands und Nordtirols: Bestimmen – Beobachten – Schützen (Verlag Quelle & Meyer Bestimmungsbücher)
Heydenreich M (1999) Die Bedeutung der Heuschreckenart Stethophyma grossum L., 1758 (Cae-lifera: Acrididae) als Bestandteil eines Zielartensystems für das Management von Niedermooren, Technische Universität Carolo Wilhemlina zu Braunschweig.
http://www.digibib.tu-bs.de/?docid=00001068
Die Studie wurde im Rahmen des Verbundvorhabens „Ökosystemmanagement für Niedermoore“ erstellt und beschäftigt sich mit der Frage, welche Bedeutung die Heuschreckenart Stethophyma grossum als Bestandteil eines Zielartensystems für das Management von Grünland auf Niedermoorstandorten hat. Studien auf über 400 Grünlandflächen im Drömling zeigten, daß die Art mit einer signifikant hohen Präsenz auf Feuchtstandorten vorkommt und als Charakterart der artenreichen Feucht- und Naßgrünlandflächen insgesamt und derjenigen mit extensiver Nutzung eingestuft werden kann. Stethophyma grossum erfüllt zudem das Kriterium der Repräsentativität für andere Heuschreckenarten. Stethophyma grossum reagiert auf die Vernässung ihres Lebensraumes und eine veränderte Grünlandbewirtschaftung und ist somit als Zielart für die Planung von Managementmaßnahmen geeignet. Ergänzend wurden Untersuchungen zur Habitatbindung der verschiedenen Entwicklungsstadien durchgeführt, um die Faktoren herauszufinden, die für die Habitatbindung der Art verantwortlich sind. Mit Hilfe eines Habitateignungsmodells, welches auf einer Diskriminanzanalyse basiert, konnte das Vorkommen von Stethophyma grossum mit einer Wahrscheinlichkeit von 75 prognostiziert werden. Durch die Kopplung des Habitateignungsmodells mit einem geographischen Informationssystem sind Aussagen zu einem großräumigen landschaftsökologischen Management möglich.
Marzelli M (1997) Untersuchungen zu den Habitatansprüchen der Sumpfschrecke (Stethophyma grossum) und ihre Bedeutung für das Habitatmanagement, Articulata 12(2): 107-121.
https://www.zobodat.at/pdf/Articulata_12_1997_0107-0121.pdf
Die Bodenfeuchte von Herbst bis Frühjahr stellt unter mitteleuropäischen Bedingungen den Schlüsselfaktor für das Vorkommen der Sumpfschrecke Stethophyma grossum (Orthoptera, Acrididae) dar. Die Eier benötigen Kontaktwasser, um ihre Entwicklung erfolgreich abzuschließen. Die Weibchen legen im Spätsommer ihre Eier an feuchten Stellen ab, da diese Bereiche mit hoher Wahrscheinlichkeit auch im Herbst und Frühjahr feucht oder naß sind. Neben der hohen Bodenfeuchte sind für die Eientwicklung entsprechende Temperatursummen notwendig. Im Vergleich zu den meisten anderen mitteleuropäischen Arten benötigen die Sumpfschrecken jedoch keine sehr hohen Bodentemperaturen. Nach dem Larvenschlupf wirkt sich eine hohe Bodenfeuchte (stehendes Wasser) negativ auf die Populationsentwicklung der Sumpfschrecken aus. Zeitweise überschwemmte Flächen bieten größere Überlebenschancen als dauerhaft oder sehr lang überflutete Standorte. Heterogene Standortbedingungen, insbesondere ein Bodenfeuchtegradient steigern die Überlebenschancen von Stethophyma grossum. In Jahren mit besonders hohen Niederschlägen oder hohen Grundwasserständen haben trockene Stellen eine wichtige Funktion für das Überleben von Larven und Imagines. Andererseits spielen feuchte oder nasse Stellen unter sehr trockenen Witterungsbedingungen oder bei Grundwasserabsenkungen eine entscheidende Rolle für die Entwicklung der Eier von Herbst bis Frühjahr.
Malkus J (1997) Habitatpräferenzen und Mobilität der Sumpfschrecke (Stethophyma grossum L. 1758) unter besonderer Berücksichtigung der Mahd, Articulata 12(1): 1-18.
https://www.zobodat.at/pdf/Articulata_12_1997_0001-0018.pdf
Von Mai bis Oktober 1994 wurden im Salzbödetal (Deutschland, Mittelhessen) auf Grünlandflächen Untersuchungen zur Habitatpräferenz und Mobilität von S. grossum durchgeführt. Im Untersuchungsgebiet wurden 3.476 Imagines markiert, davon 2.314 individuell. Die Wiederfangraten lagen bei 53,8 % (♂) und 44,5 % (♀). Die Mobilität der Männchen war deutlich höher als die der Weibchen. Die maximale ermittelte Aktionsdistanz betrug 624 m bei den Männchen und 201 m bei den Weibchen. Die ersten Larvenstadien der Sumpfschrecke waren auf sehr feuchten Standorten (periodisch überschwemmt) mit einer niedrigen bis mittelhohen, lückigen Vegetationsstruktur anzutreffen. Für die Imagines war die Biotopbindung weniger deutlich. Als optimaler Lebensraum sind großflächige, extensiv bewirtschaftete Feuchtwiesen anzusehen, die ein Mosaik unterschiedlicher Habitate mit wechselnden Bewirtschaftungsweisen aufweisen. Der Mahdvorgang führte zu einem drastischen Bestandseinbruch bei den Larven und zu einer Vertreibung der Imagines auf benachbarte Flächen. Diese kurzfristigen Verluste hatten aber keine negative Auswirkung auf die Sumpfschreckenpopulation.
Jürgen Fischer, Wunsiedel